1 m² (der Fünfte)

Es regnet, es ist kalt, ich bin genervt und müde, und als ich über die abendlich beleuchtete Dreiländerbrücke in Weil am Rhein gehe, frage ich mich, warum ich nicht zu Hause geblieben bin.

Aber ich bin ja mit ein paar Leuten zum Fotografieren verabredet, und so quäle ich mich durch den Feierabendverkehr und erreiche gehetzt unseren Treffpunkt auf der französischen Seite des Rheins. Keine guten Voraussetzungen für einen gelungenen Fotoabend 😦

Meine schlechte Laune überträgt sich direkt auf meine Lust zu fotografieren, und obwohl die abendlich erleuchtete Stadt mit ihrem Hafen und der beleuchteten Brücke regional bekannte Fotospots sind, kann mich nichts davon in seinen Bann ziehen. So schlendere ich unmotiviert am Rhein entlang, und nach über einer Stunde beschränkt sich meine Ausbeute auf eine Handvoll Fotos von Schwänen, die geisterhaft ihre abendlichen Runden ziehen, und unwirklich anmutende Bäume.

Auch der Himmel hat kein Erbarmen, denn der Regen wird immer stärker. Als dann auch noch ein eisiger Wind dazu kommt, habe ich die Nase voll und beschließe einzupacken. Um meinen Rucksack nicht auf den dreckigen Boden stellen zu müssen, steuere ich die nächstbeste Bank an – und das war meine beste Entscheidung des ganzen Abends!

Darf ich vorstellen – meine fotografische Oase, meine Retterin des Abends, mein Highlight des Tages:

Nach verschwommenen Schwänen und knallroten Bäumen jetzt auch noch eine hässliche Bank?

Bevor nun die ersten Zweifel an meinem Geisteszustand aufkommen – meine Begeisterung gilt natürlich weniger dieser eher unscheinbaren Parkbank aus Beton und Holz, sondern vielmehr dem, was der Regen und das Licht der Straßenlaterne auf die Holzoberfläche zaubern. Je nachdem, wie das Licht die Regentropfen bricht, entstehen neue Formen und Farben, die mich manchmal sogar an Fabelwesen erinnern. 

Mit einem Schlag sind meine schlechte Laune und meine Müdigkeit wie weggeblasen, und ich bin völlig überwältigt von der Vielfalt dieses ungewöhnlichen Motivs. Ich klopfe mir in Gedanken auf die Schulter, dass ich meinen inneren Schweinehund überwunden und meiner Unlust getrotzt habe.

Vor allem aber bin ich froh, dass ich meinem Bauchgefühl gefolgt bin und nicht zu früh aufgegeben habe. Ich hoffe, das klappt auch beim nächsten Mal, wenn ich mir wieder die eher rhetorische Frage stelle: „Warum bin ich nicht lieber zu Hause geblieben?“

Mit der Reihe 1 m² nehmen wir euch mit auf eine Reise in eine kleine, räumlich begrenzte Welt, welche wir aber mindestens genauso spannend finden wie die große.
Hier findet ihr unsere bisherigen Beiträge zur Serie 1 m²

13 Kommentare zu „1 m² (der Fünfte)

  1. Huhu Schwesterherz, super cool 👍👍, die Schwäne und Bäume finde ich aber trotz 🐶Wetter sehr gelungen 👏🏻und übrigens…du hast eigentlich immer gute Laune ❤️😘. Liebe Grüße Kati

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    1. Fast immer. Außer es regnet oder ich habe Hunger oder kalte Füße oder…. 😉
      Danke für deinen lieben Worte, Kati, und liebe Grüße zurück 🙂

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  2. Hallo Steffi, Deiner Kreativität kann wohl weder starker Regen noch eisiger Wind etwas anhaben. Ich bin total begeistert von diesem Ergebnis. Grandiose Fotos. Bravo und Hut ab.
    LG Frank

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    1. Hi Frank,
      es freut mich, dass Dir der Artikel und die Fotos gefallen. Es sind vielleicht nicht die Bilder, die man sich ins Wohnzimmer hängen würde, aber ich finde es immer wieder spannend was für Motive einfach so „herumliegen“.
      Liebe Grüße in den Nordosten!

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  3. Hallo Steffi, vielen Dank für die tolle Story….kann ich seeeehr gut nachfühlen….und das faszinierend positive Ergebnis…in einer scheinbaren Kleinigkeit in der grauen Einöde etwas Großartiges zu erkennen und daraus zu machen 😊

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    1. Vielen lieben Dank für deine netten Worte, Arnd,
      ich bin auch immer wieder erstaunt, was mir alles so vor die Linse kommt. Man neigt ja in so einer Situation eher dazu, die „bequemen“ Motive zu wählen, in diesem Fall Nachtaufnahmen der Stadt, obwohl man eigentlich keine Lust drauf hat. (und dass sieht man den Fotos dann auch an).
      Es freut mich, dass dir der Beitrag gefällt 🙂 Liebe Grüße Steffi

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  4. Liebe Steffi – ich war dabei!
    Und empfand es genau so wie Du es beschrieben hast. Einfach nur bäh.
    Nur hast Du noch eine deutlich bessere Ausbeute als ich erzielt. Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Beitrag. Das erste Foto ist unglaublich schön, die „Wasserverzierungen“ nehmen mich ganz in Bann…

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    1. Lieber Martin,
      Danke, aber bitte keine Tiefstapelei! Ich kenne ja deine fotografische Ausbeute und da muss ich dir entschieden widersprechen!
      Allerdings freue ich mich auch schon auf einen Fototreff an einem schönen lauen Sommerabend, aber das könnte mit uns beiden diesen Sommer schwierig werden 😉 Liebe Grüße Steffi

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    1. Herzlichen Dank Michael 🙂
      Meinst du das Titelbild? Das ist auch mein persönlicher Favorit von den Parkbankfotos, obwohl ich es ja normalerweise gerne hell und eher bunt mag.
      Liebe Grüße Steffi

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