Wie früher einmal

Der Weihnachtsbaum ist geschmückt, alle Geschenke sind hübsch verpackt, und die Weihnachtsgans liegt im Kühlschrank, bereit für ihre letzte Reise in den Backofen.

Weihnachten fühlt sich an wie immer, oder besser gesagt: wie früher, bevor ein Virus unsere Weihnachtsgewohnheiten auf den Kopf stellte. In diesem Jahr scheint Corona für viele seinen Schrecken verloren zu haben, und so drängen sich die Menschen wieder dicht an dicht auf den Weihnachtsmärkten. Auch Oma und Opa werden wieder mit an der Festtafel sitzen.

Auch um unsere Gasversorgung müssen wir uns in diesem Jahr anscheinend keine Sorgen mehr machen. Während im letzten Jahr bei vielen die Lichterketten dunkel blieben und die Weihnachtsplätzchen eher heimlich und mit schlechtem Gewissen (Strom sparen!) gebacken wurden, ist es in diesem Jahr in der Stube warm und überall leuchtet es festlich. Fast könnte man meinen, dieses Weihnachtsfest sei das erste „normale“ seit Jahren, so wie früher eben.
Nichts ist mehr wie früher, auch dieses Weihnachten nicht!

Hass, die Gier nach Reichtum und Macht haben die Welt fest im Griff und niemand scheint einen Plan zu haben, wie die überlebenswichtigen Probleme unseres Planeten gelöst werden können. Machen wir uns nichts vor, die Probleme sind ohnehin viel zu groß und komplex, als dass sie von einzelnen Politikern gelöst werden könnten. Und wenn man sieht, wie sich die politische (Un-)Ordnung auf der Welt gerade verschiebt und wie sich politische Mehrheiten, auch im eigenen Land, gefährlich verändern, dann wird mir angst und bange.

Weihnachten: Das Fest der Liebe, Hoffnung und Zuversicht?
Ein Fest vor allem für Optimisten?

Vielleicht wächst gerade in Zeiten großer Überforderung und Verunsicherung bei vielen von uns die Sehnsucht nach einer „heilen“ Welt, und sei es nur für ein paar Tage. Auch ich ertappe mich an den Festtagen, wie ich Nachrichtensendungen meide, mich in ein Buch vertiefe und die Krisen der Welt verdränge. Eine Wahl, die leider nicht alle Menschen haben. 

Für mich symbolisiert der Radfahrer auf dem Titelbild etwas Hoffnung. Mit seinem Körpereinsatz bringt er den Weihnachtsbaum zum Leuchten und zeigt uns damit, dass auch kleine Anstrengungen eine große Wirkung haben können.


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Veröffentlicht von Stefanie

Der Reiz der Fotografie ist für mich nicht nur das Handwerk, viel spannender ist das Kopfwerk.

9 Kommentare zu „Wie früher einmal

  1. Hi Steffi. Danke für diesen nachdenklich machenden Text. Ich ertappe mich auch gerade das ich Nachrichten meide und bewusst Sachen mache bei denen ich die Realität für kurze Zeit vergessen kann. Ich brauche das und das tut gut wie ich finde. Ich hoffe für uns, das nächstes Jahr eine Lösung gefunden werden kann für all die schrecklichen Dinge die im Moment passieren. Das hoffe ich wirklich von Herzen!

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    1. Ja, so lange man noch hoffen kann, ist noch nicht alles zu spät. Ich bezweifle jedoch, dass sich im nächsten Jahr die Themen plötzlich in Luft auflösen. Dafür werden wir alle wahrscheinlich einen längeren Atem brauchen.

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  2. So schön geschrieben, Stefanie, aber leider auch so wahr. Und trotzdem wünsche ich dir und deiner Familie ein besinnliches Weihnachtsfest und Gesundheit und Zuversicht für das neue Jahr. LG

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  3. Gegenfrage: War es denn jemals „wie früher“? Ich denke, nein. Selbst „früher“ war es nicht „wie früher“. Was natürlich nicht heißt, dass man nicht eine große Sehnsucht danach verspüren kann, wenn die Gegenwart so unglaublich anstrengend, überfordernd und gefährlich erscheint (von der Zukunft mal ganz zu schweigen).
    Ich bin in Religionsdingen alles andere als sattelfest. Aber zu mutmaßen, dass Weihnachten nur noch was für naive Menschen auf der Suche nach der Illusion einer „heilen Welt“ sei, ist glaube ich der falsche Ansatz. Es ist doch vielmehr wirklich der Inbegriff der Hoffnung, für den Weihnachten im Kern steht, oder nicht? (Mal abgesehen von dicken Geschenken…). Also der Glaube an das Gute, allen Widrigkeiten zum Trotz. Dem möchte ich mich eigentlich anschließen.

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    1. Danke Sebastian, für deine Anmerkungen 🙂
      Ich selbst bin auch keine Freundin von „Früher war alles besser“ und wenn mit dem Begriff „früher“ kein Zeitpunkt mitgegeben wird, dann hinkt der Vergleich natürlich. In meinem Artikel beziehe ich mich jedoch auf Weihnachten vor Corona, und auch wenn keine Jahreszahl 2019 dabei steht, war das meine Referenz. 
Mit dem Begriff „früher“ verbinde ich auch eine gewisse Routine und Regelmäßigkeit und reflektiere größere Veränderungen mit dieser früheren Normalität.
      Falls ich in meinem Artikel den Anschein erweckt habe, dass ich Optimisten als naiv beschreibe, so war das keineswegs meine Absicht. Ich selbst würde mich als absolute Optimistin bezeichnen, d.h. ich versuche trotz aller Widrigkeiten positiv zu denken und hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Naive Menschen sind sich der Probleme oft gar nicht bewusst oder verharmlosen sie und das eine hat mit dem anderen nicht wirklich was gemeinsam, oder?

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  4. Vielen Dank Steffi, daß Du Dich traust auszusprechen, was vielen denken!
    Patentlösung habe ich leider auch keine. Ich versuche halt, weiterzuatmen und im Rahmen meiner persönlichen Möglichkeiten so verantwortungsvoll wie möglich zu leben. Und sehe doch jeden Tag, daß ich hinter meinen Möglichkeiten zurückbleibe. Aber vielleicht gehört auch das zum Leben???

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    1. Danke Oliver und ich finde mich in deinen Worten wieder. Es kommt bei mir wie in Wellen. Manchmal treten die Themen ganz präsent in meinen Fokus und ich fühle mich dann schlecht, weil ich selbst viel zu wenig mache und schwuppdiwupp kommt ein anderes (eigentlich unwichtigeres) Thema, welches dann meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zieht. Man könnte und man sollte, aber am Machen scheitert es dann oft 😦

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