Ausnahmezustand oder Alltag?

Es ist ja allseits bekannt, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist. Wir lieben Rituale, sei es im privaten oder auch im beruflichen Bereich. Veränderungen gegenüber sind wir oftmals eher skeptisch eingestellt und fühlen uns im gewohnten täglichen Ablauf, mit all seinen Routinen, pudelwohl.

Ich vermute, ich spreche für uns alle, wenn ich behaupte, dass unser Alltag vor gut zwei Jahren komplett auf den Kopf gestellt wurde. Bekannte Abläufe wie z.B. der Weg zur Arbeit, der Einkaufsbummel am Samstagvormittag oder eine herzliche Umarmung zur Begrüßung wurden ersetzt durch Homeoffice, Online-Shopping und AHA-Regel.

Mit einer Mischung aus Angst und Aufregung beobachteten wir das, was da auf uns zukam. Lockdown, FFP2-Maske und Inzidenzwerte ergänzten von nun an unseren Wortschatz, und Toilettenpapier, Hefe und Nudeln waren plötzlich die neuen Luxusgüter. Nun durchlaufen wir die x-te Coronawelle, die Inzidenzwerte sind so hoch wie nie, aber in vielen Bereichen unseres Alltags haben wir uns mit der Situation arrangiert.

Nun frage ich mich, ob wir immer noch in einer Form des Ausnahmezustandes leben oder ob das schon längst unser neuer Alltag ist. Wenn ja, wann hat dieser Übergang stattgefunden, und ist das nun gut oder schlecht? Ich bin mir sicher, dass es keinen Weg zurück in die „gute alte Zeit“ geben wird und vieles nicht wieder so sein wird wie vor der Pandemie. Gerade in Sachen Digitalisierung möchte das wahrscheinlich auch niemand. Aber die Entwicklung im Zwischenmenschlichen oder auch im kulturellen Bereich macht mich traurig, und da vermisse ich schon die frühere Unbekümmertheit.

Momentan stehen wir wieder an einem Wendepunkt. Corona ist fast gänzlich aus den Schlagzeilen verschwunden, und anstelle der täglichen Dauerschleife aus Inzidenzwerten und Todesfällen gibt es nun ein neues Grauen, dass den Alltag von vielen Menschen auf schreckliche Weise wieder ins Wanken bringt.

Der Mensch, das Gewohnheitstier – eigentlich bin ich ganz froh, dass wir trotzdem diese Anpassungsfähigkeit haben, obwohl es Situationen im Leben gibt, an die man sich nie gewöhnen kann und vielleicht auch nicht sollte.

9 Kommentare zu „Ausnahmezustand oder Alltag?

  1. Leider allzu wahr, was du geschrieben hast. Es wird nie wieder so sein wie vor Corona.
    Und es gibt Dinge im Leben, an die man sich nie gewöhnt.

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    1. Hallo Markus,
      Danke für deinen Kommentar! Wobei vor Corona auch nicht alles super toll war. Gerade zu Beginn der Pandemie hatte ich die Hoffnung, dass das auch eine Chance sein könnte. Plötzlich hatten wir viel mehr Zeit, da unsere Freizeit nicht mehr mit unzähligen Terminen vollgestopft war und wir lernten die Natur vor unserer Haustüre zu schätzen, anstatt mehrmals im Jahr in den Urlaub zu fliegen.
      Vieles hat sich leider schon wieder normalisiert, aber es hat ja jeder in einem bestimmten Umfang selbst in der Hand, ob man wieder in alte Routinen zurück fällt oder nicht.
      Liebe Grüße Steffi

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  2. Hallo Steffi,

    du hast so recht mit deinem Beitrag. An die beiden Hauptthemen zur Zeit sollten wir uns allerdings nicht gewöhnen müssen. Es bleibt uns nur die Möglichkeit den direkt betroffenen Menschen zu helfen überall dort, wo wir können.

    Vielleicht und das hoffe ich sehr, hat das ganze Geschehen aber auch ein paar positive Effekte (s. Ahrtal).

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    1. Herzlichen Dank Uli, für deine Worte!
      Ja, die Hilfsbereitschaft ist momentan groß und hoffen wir mal, dass das auch so bleibt, wenn die mediale Präsenz der Themen nachlässt.
      Ich bin auch gespannt, wie sich unsere Solidarität entwickelt, wenn die Auswirkungen für uns spürbarer werden. Sei es in Form von höheren Preisen, einer kalten Heizung oder einer wirtschaftlichen Rezension.

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  3. VIelen Dank für Deine nachdenklichen und zum Nach-Denken anregenden Zeilen, die ich sehr gut und passend illustriert finde. Als jemand, der von der Pandemie bislang nur in sehr geringem Maße betroffen gewesen ist, kann ich sagen, dass ich an der Situation der vergangenen zwei Jahre sowohl Gutes als auch Schlechtes sehen kann. Grundsätzlich positiv finde ich, wenn Menschen (also „man“) dazu gebracht werden, ihr Leben und ihre gewohnten Routinen zu überdenken und vielleicht sogar kritisch in Frage zu stellen. Davon können wir eigentlich nur profitieren, selbst wenn man beschließt, dass man im Prinzip alles am liebsten beibehalten möchte. Aber es gibt ja schließlich auch so etwas wie einen „heilsamen Schock“.
    Zudem habe ich beobachtet (auch an mir selber), dass manche Unterhaltung zu Pandemie-Zeiten offener, ehrlicher und weniger oberflächlich geführt wird als zuvor. Irgendwie werden einem die essenziellen Dinge im Leben noch einmal bewusster vor Augen geführt, und Unwesentliches kann tendenziell in den Hintergrund treten. Allerdings bringt die Pandemie einen ganz eigenen Stress mit sich, und negative Eigenschaften oder Verhaltensweisen mancher Zeitgenossen werden dadurch noch verstärkt wie in einem Brennglas.
    In jedem Fall würde ich konstatieren, dass vermeintliche Gewissheiten stark ins Wanken geraten sind und das Fragile, Unstete, zumindest latent Bedrohliche jetzt die neue Normalität ist. Der entsetzliche Krieg in der Ukraine verstärkt dies sicher noch. Aber wer weiß: Vielleicht bringt uns diese Entwicklung wieder mehr dazu, den jeweiligen Moment zu erleben, zu gestalten und nach Möglichkeit zu genießen (Carpe diem!) und nichts mehr für selbstverständlich und uns per se zustehend anzusehen. Der Begriff der Demut ist ja seit einiger Zeit zu einem Modewort geworden – hier würde er nach meiner Ansicht passen. Und mehr Demut und Dankbarkeit für das, was wir haben, das wäre allemal angebracht.

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    1. Lieber Sebastian,
      herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar!
      Den Begriff Demut verwendete ich bisher sehr selten, da ich ihn eher mit Unterwürfigkeit in Verbindung gebracht habe.
      Man kann das Wort aber auch mit „Mut zum Dienen“ übersetzen und dann passt es wunderbar in deine Ausführung.
      Danke für diesen Gedankenanstoß!
      Grüße Steffi

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