Seht, eine Stadt

Trigger warning: Es folgt eine lange Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen, Binsenweisheiten und anderen Banalitäten.

Los geht’s:

Der Begriff „Stadt“ ist keiner, über dessen Bedeutung man lange grübeln muss. Ein absolut alltägliches Wort, das uns allen geläufig ist. Wir alle haben zudem eine (scheinbar) klare Vorstellung von dem, was es bezeichnet. Urbanität.

Als da wären: Häuser (gerne mehre Stockwerke hoch), dazwischen Straßen, Autoverkehr (und zwar nicht zu knapp). Sehr viel Beton, Stein, Glas, Stahl, Asphalt. Viele Gebäude sind nicht bloß funktional, sondern sollen eindeutig was her machen. Sie sollen repräsentativ sein.

Dort, „in der Stadt“, leben und arbeiten Menschen, sie wuseln emsig hin und her. Aber sie versorgen sich auch, erholen sich oder gehen ihren Freizeitbeschäftigungen nach.

In einer Stadt sollte man natürlich auch chillen können.

Das Leben hier ist dynamisch. Vieles ist dabei auf Autos ausgerichtet, muss man leider feststellen. Das wirft Fragen auf. Und manches ist auch einfach absurd.

Arme Fußgänger!

Nicht alle können mehr herumlaufen in der Stadt (oder eben fahren). Manche haben ihre letzte Ruhestätte schon gefunden – übrigens an Orten, an denen dann oftmals auch wir Lebenden Ruhe und Abstand von Lärm und Hektik finden.

In einer Stadt (vielleicht ist sie gar die Hauptstadt eines Landes?), da werden auch viele Entscheidungen getroffen. Politische Entscheidungen, die viele Menschen betreffen, auch militärische. Da gibt es Orte, an denen diese Entscheidungen und ihre Folgen erklärt werden, wo man erinnert, mahnt, feiert, Geschichte inszeniert, aber natürlich auch protestiert und Konflikte austrägt. Gefallene Soldaten kommen „zurück“ in die Stadt, sie werden begraben, man gedenkt ihrer (oder auch nicht), mitunter instrumentalisiert man sie auch. Offizielle Orte der Erinnerung, Heldengedenken und so.

Da steht nun also ein Mahnmal in einem Park, genauer: am Rande eines älteren Militärfriedhofs. Es wirkt ein bisschen aus der Zeit gefallen. Man wundert sich womöglich über die allerdings recht neu anmutende Anlage und die Gedenktafeln in zwei verschiedenen Sprachen. Eine Recherche bringt Aufklärung: Eine Tafel ist in der heutigen Landessprache, die zweite in der früher dominierenden Sprache, die noch immer von vielen Menschen bevorzugt gesprochen wird. Das Mahnmal stand früher an einem zentralen Platz der Stadt, wurde aber von dort entfernt und an den Rand versetzt. Es steht für eine Periode in der Geschichte des kleinen Landes, die von vielen ungeliebt ist und am liebsten verdrängt würde. Andere wiederum, eine Minderheit, sehen genau hierdurch ihre eigene Geschichte und Kultur, ja sich selbst, herabgewürdigt und entwertet, es gibt Konflikte. Ein gefundenes Fressen für ein sehr, sehr großes Nachbarland, das diese Konflikte gezielt befeuern und sich dann als Beschützer der Minderheit gerieren kann.

Die Stadt also als Bühne gesellschaftlichen Lebens und zugleich als Brennglas von so vielem, was uns umtreibt.

Diese eine Stadt, Tallinn, als Reiseziel und Ort, den es in den kommenden Tagen zu erkunden gilt. Ecce urbs!

25. August 2023
Sebastian Schröder-Esch
(www.schroeder-esch.de)


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Veröffentlicht von Sebastian

Geographer, naturalist and photographer (www.schroeder-esch.de). Based in Germany, but always keen to travel and explore

7 Kommentare zu „Seht, eine Stadt

  1. Was für eine Überraschung!
    Ich bin gerade dabei, meine sieben Sachen in den Koffer zu packen und überlege noch, was ich alles für die Reise nach Estland brauche, da kommst du schon mit einem Beitrag über Tallinn „um die Ecke“. Wow!
    Das Thema deines Beitrages gibt schon einen Vorgeschmack auf das, was uns in der nächsten Woche erwartet. Ich freue mich schon auf das Programm, das du mit Kerli zusammengestellt hast 🙂
    Danke für die ersten Eindrücke und bis morgen!
    Grüße ins flache Land 🙂

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  2. Hi Sebastian. Toller Beitrag. Wie ich aus Steffis Kommentar entnehme dürfen wir uns über neue Infos aus Estland freuen. Ich bin gespannt.
    Viele Grüße aus dem Urlaub im Schwarzwald. Horst

    Gefällt 1 Person

  3. Hallo Sebastian, vielen Dank, daß Du uns mit ersten Eindrücken mitnimmst auf Deine Reise nach Estland! Ich wünsche Euch eine gute Zeit, viel Freude, gute Begenungen und weiterhin spannende Motive!

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