Der Fuchs geht um!

Die Wildtierfotografie und ich – das ist eine eher schwierige Kombination. Obwohl ich mich sehr gerne draußen in der Natur aufhalte, ist meine fotografische Ausbeute von größeren heimischen Wildtieren sehr überschaubar.
Das liegt zum einen daran, dass ich mich in der Natur lieber bewege, als stundenlang im Tarnzelt zu liegen (und mich dabei von Zecken aussaugen zu lassen). Aber ehrlich gesagt, liegt es wohl auch daran, dass ich oft im falschen Moment geräuschvoll in einen Apfel beiße oder mein Plappermaul nicht lange genug halten kann.
Da das denkbar schlechte Voraussetzungen sind, um die scheuen Waldbewohner vor die Linse zu bekommen, versuche ich mich oft mit dem Argument herauszureden, dass es ja eigentlich schon genug Fotos von Wildtieren gibt (allein auf Instagram 3,8 Millionen Bilder unter #wildlifephotography) und andere das viel besser können als ich.
Aber damit versuche ich natürlich nur, mir meine Inkompetenz und Bequemlichkeit schön zu reden, denn in Wahrheit beobachte ich unglaublich gerne wild lebende Tiere, auch über mehrere Stunden hinweg.
Doch wo finde ich die Tiere in der weiten Natur? Und wie kann ich sie beobachten, ohne sie zu stören? Ein Dilemma, das viele Fotografinnen und Fotografen kennen und teilen.

Ansitze, speziell für Fotografen, sind dafür eine gute Möglichkeit. Durch ihre verspiegelten Fenster sind sie von außen nicht einsehbar und man kann unbemerkt die Natur beobachten. Manche Hütten müssen vor Sonnenaufgang betreten und dürfen erst nach Sonnenuntergang wieder verlassen werden.

Dieses „Hide“ befindet sich im Białowieża Nationalpark ganz im Osten Polens.
Wie so oft, wenn es um eher ungewöhnliche Reiseziele geht, hatte Blogkollege Sebastian die entscheidenden Ideen und organisierte eine abwechslungsreiche Gruppenreise. So ging es Mitte Februar 2024 zunächst nach Warschau und dann in die Nationalparks Białowieża und Biebrza, beide im Osten Polens unweit der Grenze zu Weißrussland gelegen. Die 11-tägige Reise war weit mehr als eine Naturreise, denn sie brachte uns Land und Leute näher, erweiterte unser Wissen und rückte auch die deutsch-polnische Vergangenheit in den Mittelpunkt.

Während dieser Reise hatte ich zweimal die Gelegenheit, ein solches Fotoversteck zu besuchen. Die meisten Wildtiere waren gar nicht so „wild“, und einige Arten sind auch regelmäßige Besucher bei mir zu Hause an der Futterstelle. Aber sie so nah und ungestört beobachten und fotografieren zu können, war schon ein besonderes Erlebnis.

Die Hütte hatte auf zwei Seiten Fenster, d.h. aus dem einen Fenster konnte man die ständig hin und her fliegenden Vögel beobachten, aus dem anderen Fenster blickten wir auf eine unspektakuläre Wiese.

Immer wieder waren wir versucht, uns lieber mit den Vögeln zu beschäftigen, als auf die langweilige Wiese zu starren. Inzwischen hatte es angefangen zu regnen und das Licht wurde immer schlechter. Doch plötzlich bekamen wir Besuch aus dem angrenzenden Wald…

Dass der Fuchs uns fast drei Stunden lang immer wieder besuchte, im Wald verschwand und wieder auftauchte, hatte natürlich einen Grund. Die wenigsten Wildtierfotos entstehen zufällig und ungeplant. Oft werden die Tiere durch Futter angelockt, was hier sowohl bei den Vögeln (Streufutter) als auch beim Fuchs (angefahrener Waschbär und Innereien eines Schweins) der Fall war.

Allerdings werden solche Fotos eher selten gezeigt. Zum einen möchte man seinem Publikum nur „appetitliche“ und schöne Fotos zeigen, zum anderen liegt es wohl auch daran, dass man damit die Bilder ein Stück weit entzaubert. Wilde, gefährliche Abenteuerfotografie wird plötzlich für „Normalos“ zugänglich und der Erfolg in gewisser Weise planbar.

Ist das einzelne Foto dadurch weniger wert? Im Sinne von: weniger schön und weniger spannend?
Was geht euch durch den Kopf, wenn ihr euch die Bilder mit diesem Wissen noch einmal anseht? Hinterlässt das bei euch einen faden Beigeschmack oder zählt am Ende doch „nur“ das Ergebnis und das Erlebnis?
Ich selbst hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, den Fuchs zu stören. Natürlich ist mir bewusst, dass man hier durch das Anlocken mit Futter in die Natur eingreift, aber das mache ich mit der Futterstelle in meinem Garten auch.
Wo zieht jeder für sich die Grenze, wenn es darum geht, ein besonderes Foto zu machen? Ethik in der Tierfotografie – ein Thema, das viele Fotografinnen und Fotografen beschäftigt.


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Veröffentlicht von Stefanie

Der Reiz der Fotografie ist für mich nicht nur das Handwerk, viel spannender ist das Kopfwerk.

7 Kommentare zu „Der Fuchs geht um!

  1. Danke für Deinen Artikel, Steffi. Ich weiß gar nicht recht, in welche Kategorie er (für mich) fällt: Reisebericht? Tierfotos? Kritische Reflexion? Ist ja aber auch eigentlich egal, dann ist er halt eine Kombination von alledem! Und tolle Bilder von Rotfuchs & Co hat er allemal zu bieten 🙂

    Ich meine zu wissen, dass man bei Aufnahmen aus festen Fotoverstecken, bei denen noch dazu mit Lockfutter gearbeitet wird, von „kontrollierten Bedingungen“ spricht. Ein Gesamturteil dazu vermag ich nicht zu formulieren. Es hat – wie Du selber schon darlegst – sowohl Vor- als auch Nachteile bzw. Punkte, die kritisch zu sehen sind. Was mir aber insbesondere missfällt, ist die (auch von Dir schon angesprochene) Tatsache, dass die Entstehungsbedingungen solcher Aufnahmen oftmals nicht offengelegt werden. Das würde auch nicht zur Selbst-Inszenierung mancher Natur-Fotograf/innen als „letzte große Abenteurer“ passen…

    Aus meiner Sicht ist das Wichtigste, dass man (hier: Du) Interesse an den wildlebende Tieren in ihren Lebensräumen hast und durch Beobachtung und den Austausch mit Gleichgesinnten immer besser verstehst, wie sie sich verhalten und wodurch sie beeinflusst werden. Das mit dem Schweigen und dem richtigen Timing für den Apfelverzehr ergibt sich dann irgendwann ganz von selbst… 😉

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    1. Danke Sebastian für deinen Kommentar. Dass ich mich immer mit (selbstproduzierten) Geräuschen umgebe, ist ja nichts Neues für dich und da habe ich dir natürlich eine Steilvorlage gegeben 😉 Ich gelobe Besserung!

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  2. Hallo Steffi,
    Eigentlich ist mit Deinen Überlegungen und Sebastians Kommentag schon alles gesagt,
    nur halt noch nicht von jedem … 😉
    So bleibt mir nur, meine Hochachtung mit einem dicken Dankeschön zu verbinden!

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