Bergbewohner

Am Anfang war das Murmeltier.

Genauer gesagt: Sebastians Besuch bei den „Murmeli“ von Saas-Fee im Sommer des vergangenen Jahres, die ihm (also mir) unmittelbar Lust auf eine Wiederholung machten. Schließlich kann man nie genug Murmeltiere aus der Nähe sehen, das ist eine klassische Binsenweisheit. Also trommelte er/ich ein Grüppchen Leute zusammen, und wir fuhren an einem Juli-Wochenende ins schöne Wallis. Die Sorge vor zu großer Hitze erwies sich als komplett unbegründet – auf über 2.400m Höhe konnte man schon froh sein, dass der Niederschlag in flüssiger Form vom Himmel kam und nicht als Schnee… Aber wir wollen uns nicht beklagen.

Zum Glück sind Murmeli recht kälteresistent, und so waren uns zweibeinigen Besuchern großartige Begegnungen vergönnt.

Ich (Henning) kann Sebastian nur beipflichten, von Begegnungen mit Murmeltieren kann man tatsächlich nicht genug bekommen. Bisherige fotografische Annäherungen meinerseits waren bisher mit „ganz nett“ zu bewerten. Wir waren sehr gespannt: würden wir den Tieren wirklich so nahe kommen, wie von Sebastian angekündigt? Und wieviele Mitmenschen hätten das gleiche Ziel?  Gleich vorab: es war großartig! Ob Porträtfotos oder mit Einbindung von Landschaft, ob ruhige Momente oder knallharte Action – alles war geboten.

Eine erste Annäherung konnten wir bereits nach wenigen Gehminuten außerhalb des Ortes erleben. Einige Tiere zeigten sich, naschten unsere mitgebrachten Erdnüsse und posierten vor ihren Bauten. Noch mehr begeisterte Touristen wie wir versammelten sich drumherum.  Ein schöner Auftakt mit ein paar gelungenen Porträtfotos, aber das Mengenverhältnis Mensch/Tier war nicht ideal…

Also: nichts wie rauf zur Bergstation Spielboden, ganz bequem mit der Bahn. Gestärkt nach einem Mittagessen konnten wir etwas abseits zunächst eine Gruppe Steinböcke beobachten. Dazu später mehr. Letztlich war dies eine ideale Überbrückung zum späteren Nachmittag, bis sich die anderen Besucher nach und nach auf den Rückweg machten. Nachdem die letzte Bahn zu Tal gefahren war, stimmte so langsam auch das Verhältnis Tier/Mensch und wir hatten nun perfekte Bedingungen zum Fotografieren.

Meine absoluter Lieblingsszene, die ich beobachten durfte, waren zwei Jungtiere, die vor meinen Augen einen Ringkampf ausfochten. Das Ganze war in wenigen Augenblicken wieder vorbei, aber zum Glück konnte ich den Moment festhalten!

Während Henning ein gutes Auge für die Actionszenen hatte, saß ich (jetzt: Stefanie)  gemütlich auf einer Wiese und beobachtete das Treiben der Murmeltiere. Rein in den Bau, raus aus dem Bau – überall wuselten die Murmeli um mich herum. Bei der Suche nach Möhren und Erdnüssen kamen sie immer näher. Kurz hatte ich überlegt, eines zu streicheln, aber die großen gelben Zähne und die Tatsache, dass es sich um Wildtiere handelt, hielten mich dann doch davon ab.

Eine Frage sei nicht verschwiegen, die so manches unserer Gespräche bestimmt hat: Was ist vom Füttern von Wildtieren zu halten? Oder anders gefragt: Sind diese Murmeli überhaupt noch als Wildtiere anzusehen, wenn sie doch derart gewöhnt („habituiert“) sind an die Anwesenheit des Menschen und seiner Erdnuss-Vorräte?

Wir glauben nicht, dass man hier zu einer abschließenden, allgemeingültigen Haltung gelangen kann, und wenn man noch so lang reflektiert und diskutiert. Tatsache ist, dass die Tiere augenscheinlich kerngesund sind und sich auch artgerecht verhalten – vor Greifvögeln am Himmel wird gewarnt, ebenso vor Hunden (insbesondere den nicht angeleinten), und es wird ausgiebig an den rund um die Baue wachsenden Kräutern geschnuppert und genascht. Nur eben faktisch ohne Scheu vor uns Menschen.


Soviel zu den Säugetieren OHNE Hörner. Denn es gab noch ein Bonus-Programm: Als wären wir nicht schon ausreichend bedient mit den großartigen Fellsäckchen auf dem Spielboden, zeigten sich plötzlich mehrere männliche Steinböcke. Man hatte schon mal irgendwo aufgeschnappt, dass sich diese zu sogenannten „Junggesellenherden“ zusammenschließen. Aber einen solchen Trupp aus nächster Nähe bewundern zu dürfen, das ist noch mal eine ganz andere Sache. Dass die ganz alten Böcke hier nicht dabei sind, sondern lieber ihrer eigenen Wege gehen – geschenkt. Wir waren jedenfalls fasziniert durch den Anblick dieser imposanten und kein bisschen menschenscheuen Bergziegen.

Solche Überraschungen liebe ich (jetzt: Henning) ! Die Murmelis waren ja sozusagen „safe“ – der Anblick praktisch garantiert. Die Steinböcke haben wir nicht erwartet – und schon gar nicht in der Anzahl!

Wirklich schön auch, dass sich die Tiere uns genähert haben und sozusagen freiwillig unseren fotografischen Eifer über sich ergehen ließen.

Ein besonderer Moment war, als sich zwei Tiere ein kurzes Gefecht lieferten. Erst richteten sie sich auf, standen sich praktisch bewegungslos gegenüber, dann ließen sie die Hörner aneinanderknallen. Meine Position war nicht optimal zu dem Zeitpunkt, der Kontrast zur dahinterliegenden Felswand zu gering, aber Hauptsache, wir durften diesem Spektakel beiwohnen!

Auch ich (Stefanie) hatte noch nie eine solche Steinbockherde gesehen und war genauso beeindruckt wie Sebastian und Henning. Wir drei versteckten uns gemeinsam hinter einem Stein, um die Tiere möglichst wenig zu stören, aber trotzdem nah dran zu sein.

von links nach rechts: Henning, Sebastian, Stefanie (Foto: Christiane)

Die Tiere standen nur wenige Meter von der Bergstation entfernt in einer Landschaft, die von Leitungen, Seilbahnstützen und Absperrzäunen durchzogen ist. Der Blick ins Tal ist ebenfalls von menschlichen Einflüssen geprägt, was ich als einen interessanten Kontrast zur Bergwelt auf fast 2500m Höhe empfand.

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Derartige Begegnungen in nächster Nähe lassen einen doch glatt das ungastliche Wetter vergessen. Und die Aussicht auf einen steilen Abstieg zurück ins Dorf.


Übrigens gab es während unserer Wanderung auch gefiederte Wesen zu bestaunen. Zugegeben, sie waren nicht ganz im Fokus unseres Ausflugs in die Bergwelt von Saas-Fee, aber wenn sie schon mal da sind…

Alpenbraunellen (die etwas größeren Verwandten unserer Heckenbraunellen) sieht man schließlich auch nicht alle Tage, schon gar nicht außerhalb der Alpen, und erst recht keine gerade flüggen Jungvögel!

Etwas erschöpft wirkt er, der Altvogel zur Linken. Kein Wunder, wird er doch von der jungen Brut tagein, tagaus pausenlos angebettelt. Aber wenn die Pflicht ruft, zieht man halt nochmal los und organisiert Futter für den gierigen Nachwuchs.

Wohl bekomm’s!


Wie man sieht, war uns ein prall gefüllter (wenn auch wenig sommerlicher) und vor allem tierreicher Ausflug in die Walliser Alpen vergönnt, der keine Wünsche unerfüllt ließ. So war es gedacht, und so macht es Lust auf eine Fortsetzung.

Wer kommt beim nächsten Mal mit?

16. Oktober 2025
Henning Hefner, Stefanie Röschke, Sebastian Schröder-Esch


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Veröffentlicht von Sebastian

Geographer, naturalist and photographer (www.schroeder-esch.de). Based in Germany, but always keen to travel and explore

2 Kommentare zu „Bergbewohner

  1. Oh ja, Murmeltiere sind wirklich sehr possierliche und interessante Tiere.Ich liebe es auch in unserem Wildtierpark die kleine Gruppe zu beobachten. In freier Natur sind sie natürlich noch viel großartiger.

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  2. Lieber Christian, was für ein schöner Bericht. Besonders die Alpenbraunellen haben es mir angetan. So schön sah ich sie nie!

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