Goldener Oktober, tolles Wetter, ein fantastischer Blick über eine herbstlich gefärbte Landschaft – kurzum: alles Zutaten für einen stimmungsvollen Morgen mit jeder Menge guter Laune.
Doch dieses Mal funktionierte das nicht – im Gegenteil. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, denn da vorne, nicht einmal zehn Kilometer von meinem Standort entfernt, verlief die polnisch-ukrainische Grenze.
Knapp vier Wochen liegt meine Reise nach Ostpolen nun zurück, und der Besuch des Tatarenhügels nahe der Stadt Przemyśl gehörte sicherlich zu einem der bewegendsten Momente.

Zu wissen, dass nur ein paar Autominuten entfernt Menschen Angst um ihr Leben, ihre Liebsten und ihre Zukunft haben, während man selbst in Sicherheit ist und sich sogar eine Urlaubsreise gönnt – das ist mir nur schwer aus dem Kopf gegangen und musste ich erst einmal verdauen.
Es war meine zweite Gruppenreise in unser östliches Nachbarland, die auch dieses Mal von Blogkollege Sebastian und seinem Freund Paweł organisiert wurde. Nachdem wir letztes Jahr Warschau und die Nationalparks Biebrza und Białowieża besucht hatten, standen dieses Jahr Krakau und Przemyśl auf dem Programm.
Die ersten Tage in Krakau waren gut gefüllt mit einer Mischung aus Stadtbummel, Sightseeing und Informationen über die Stadt und ihre Geschichte.




Aber: Wenn man als deutsche Gruppe nach Polen reist, dann ist das immer auch eine Reise in die gemeinsame Vergangenheit, und die Themen sind oftmals keine leichte Kost. So hatten wir dieses Mal unter anderem eine beeindruckende Begegnung mit einer Holocaust-Zeitzeugin, welche uns einen Nachmittag lang über das schreckliche Schicksal ihrer Familie erzählte. Nach einem solchen Gespräch kann man nicht einfach zur touristischen Tagesordnung übergehen, deshalb kombinierten wir es mit einem Besuch auf dem jüdischen Friedhof im Stadtteil Kazimierz.


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Knapp drei Zugstunden von Krakau entfernt, im äußersten Südosten Polens, liegt Przemyśl.


Der 60.000 Einwohner zählende Ort liegt nah an der ukrainischen Grenze und ist ca. 90 km von Lwiw (Lemberg) entfernt. Er ist Zielort vieler vor dem Krieg flüchtender Menschen.
Während der polnische Staat an der Grenze zu Belarus mit harter Hand gegen Flüchtlinge vorgeht, hat die Stadt Przemyśl im Gegensatz dazu Tausende Hilfesuchende aus der Ukraine aufgenommen. Eine Ausstellung im Ukrainischen Haus mit Zeichnungen ukrainischer Flüchtlingskinder ließ uns erahnen, welche schrecklichen Dinge diese kleinen Menschen erlebt haben müssen – auch wenn ich den Text dazu nicht lesen konnte.

Aber auch hier (wie auch in vielen anderen Staaten) kippt die Stimmung in der Bevölkerung, und die Bereitschaft, Geflüchteten zu helfen, nimmt immer mehr ab.

Wenn es nur so einfach wäre…
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