Beiläufig

Irgendwie ist es doch wunderlich, welchen Dingen um uns herum wir Aufmerksamkeit schenken und welche wir mit Missachtung strafen. An welche Orte wir hochmobile Wesen uns begeben (insbesondere in unserer Freizeit) und welche wir meiden – ob bewusst oder unbewusst. Mal ganz abgesehen von der Frage, was uns im Allgemeinen als schön, interessant und „sehenswert“ gilt, und was nicht. Die Feststellung, dass die Schönheit im Auge des Betrachters liegt, ist natürlich eine Binsenweisheit. Ihrem Wahrheitsgehalt tut das jedoch keinerlei Abbruch.

Was veranlasst mich wohl zu diesen tiefgründigen Betrachtungen? Die Antwort ist einfach: Es ist meine Arbeit, mein Beruf.

Nicht, dass hier irgendwelche Missverständnisse aufkommen: Ich bin weder Landwirt noch Förster. Aber ich zähle Vögel und andere Tiere, und die leben nun mal in Wald und Feld (und noch weiteren Orten). Und somit verschlägt es mich nicht selten an Orte, die die meisten Menschen (mich selber inbegriffen) eher nicht freiwillig aufsuchen – Hundebesitzer vielleicht mal ausgenommen. An anderer Stelle habe ich bereits darüber berichtet und verschiedene Überlegungen angestellt (hier, hier und auch ein wenig hier).

Diese Woche war es mal wieder so weit.

Keiner dieser Landschaftsanblicke wird je von der UNESCO zum Welterbe der Menschheit deklariert werden, auch auf Instagram wird man sie vergeblich suchen. Sie sind einfach völlig unspektakulär und normal, nach landläufigen Maßstäben sogar langweilig.

Und doch…

Ich finde sie schön, diese beiläufigen Orte. Sie sind Bestandteil unserer Welt, wir formen sie und sie formen uns. Und sie haben – wenn man sich einmal auf sie einlässt – ihren ganz eigenen, unbestreitbaren Reiz. Insbesondere natürlich am frühen Morgen und in der Abenddämmerung, wenn außer mir (mit Fernglas und Tablet behängt) kaum eine Menschenseele unterwegs ist.

Zum Abschluss der Arbeitswoche hatte ich den Auftrag, eine ehemalige Tongrube auf die dort vorkommenden Vögel zu kontrollieren. Ein bemerkenswerter und ungemein interessanter Ort!

Hier kommt ein weiteres Privileg meiner Arbeit zum Tragen: Ich darf Gebiete betreten, die sonst nicht zugänglich sind. Es gibt keine ausgetretenen Pfade (von Wildwechseln einmal abgesehen), keinen Besucherandrang. Dafür jede Menge wilde Ecken, die sich selber überlassen werden, die nicht inszeniert sind, sondern einfach so vor sich hin existieren. Und ich bekomme einfach so, en passant, erstaunliche Anblicke geboten.

Ich bin gespannt, wo es mich noch hinverschlagen wird. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass ich davon auch in Zukunft berichten werde.

Ganz beiläufig eben.

24. März 2024
Sebastian Schröder-Esch
(www.schroeder-esch.de)


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Veröffentlicht von Sebastian

Geographer, naturalist and photographer (www.schroeder-esch.de). Based in Germany, but always keen to travel and explore

4 Kommentare zu „Beiläufig

  1. Die Schönheit liegt zwar im Auge des Betrachters, aber manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass diese persönliche Sichtweise heute gar nicht mehr so individuell verschieden ist. 

    Überall werden wir mit einer Fülle von vermeintlich schönen (und oftmals plakativen) Bildern überflutet, die uns zeigen wollen, wie Schönheit auszusehen hat. Dadurch entwickelt sich eine gewisse Blindheit gegenüber eher unscheinbaren und alltäglichen Motiven. Deshalb freut es mich umso mehr, dass du dem Thema immer wieder eine Bühne gibst. Danke Sebastian!

    Wahrscheinlich haben diese Art von Bildern für viele Menschen einen zu geringen Unterhaltungswert, da Fotos oft nur beiläufig konsumiert werden und dafür muss das Motiv schnell ins Auge springen bzw. leicht verdaulich sein.

    Die Bilder der Tongrube finde ich sehr besonders. Das erste und die drei letzten davon könnte ich mir sehr gut als Serie im Großformat an einer Wand vorstellen. 

    Da wäre ich gerne mit dabei gewesen! Vielleicht schmuggelst du mich da nächstes Mal mit rein?

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    1. Danke für Deinen ausführlichen Kommentar, Steffi! Und für den Hinweis auf die Mehrdeutigkeit des Wortes „beiläufig“ in diesem Zusammenhang. Ja, mehr Ruhe, mehr Fokus, weniger Reize, weniger Tempo, weniger Oberflächlichkeit – das würde uns allen ziemlich guttun, glaube ich. Und ist zugleich das Gegenteil des Trends.
      Was die Tongrube angeht: Normal dürfen solche Orte ja nicht betreten werden (übrigens einer der Gründe, warum sie ökologisch oftmals so wertvoll sind!). Ich hatte eine Ausnahmegenehmigung dafür, das war also in dem Fall alles legal. Aber wer weiß, vielleicht lässt sich auch für ein kleines Grüppchen mal ein Besuch arrangieren? Auf jeden Fall freut es mich, dass Dir die Aufnahmen gefallen – und die waren ja bloß mit dem Handy aus der Hüfte geschossen!

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  2. Lieber Sebastian,
    vielen Dank, daß Du uns mitnimmst an Orte, wo man sonst nicht hinkommt!
    Und uns wieder mal den Blick schärfst, zu erkennen, daß das Wesentliche meist im Unscheinbaren stattfindet.
    Liebe Grüße! Oliver

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  3. Klasse lieber Sebastian. Wenn man an solchen Orten Schönheit findet, die andere als „zu normal“ abtun, dann hat man viel richtig gemacht. zumindest beweist es das man die Augen immer an der „richtigen“ Stelle hat.

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