Vielfalt Aletsch – Teil 2

Hü oder hott. Top oder Flop. Links oder rechts. Sekt oder Selters. Messi oder Ronaldo. Bayern oder Dortmund. Baden oder Schwaben. Beatles oder Stones. Bush oder Gore.

Ist es nicht so, dass sich letztlich alle wichtigen Aspekte des Lebens auf ein Gegensatzpaar reduzieren lassen? Aber was heißt hier „lassen“ – sie tun es einfach, ob wir das nun wollen oder nicht.

Da, es geht gerade so weiter: Gewollt oder ungewollt. Aktiv oder passiv. Direkt oder indirekt. Ja oder nein.

Das verhält sich bei der wichtigsten Sache der Welt kein bisschen anders. Auch hier gibt es eine ganz zentrale Dichotomie, die allem zugrunde liegt. Die Rede ist natürlich von der Fotografie. Und nein, ich meine jetzt nicht die Frage „analog oder digital?“, sondern etwas viel wesentlicheres, nämlich:

FARBE oder SCHWARZ-WEISS?

Knifflig, oder?

Ich bin selber oftmals unschlüssig hinsichtlich meiner bevorzugten Variante. Fakt ist, dass die unmittelbare Wirkung der Aufnahmen ziemlich verschieden ist, je nachdem, ob das gesamte Farbspektrum zur Anwendung kommt oder ob Monochromie herrscht. „Weniger ist mehr“ ist ein Grundsatz, der aus meiner Sicht definitiv auch gilt. Farben lenken eben doch immer auch ab, und in ihrer Abwesenheit (von Schwarz einmal abgesehen) bekommen andere Aspekte einer Fotografie relativ gesehen deutlich mehr Gewicht: insbesondere Formen und Strukturen, aber auch die Hell-Dunkel-Verteilung im Bild.

Alle Aufnahmen in diesem Artikel sind übrigens während einer herbstlichen Foto-Reise ins hochalpine Aletschgebiet entstanden. Für einen Überblick über diese Tour (und schöne Fotos) möge man sich Steffis Einstiegsbeitrag zu Gemüte führen.

Und es ist nach meinem Eindruck gerade diese karge Bergwelt, in der sich bei vielen Motiven die Entscheidung zur Monochromie geradezu aufdrängt.

Manche Bildausschnitte sind schon von sich aus farblich sehr reduziert. Da macht es gar keinen Unterschied, ob man in Graustufen wechselt oder nicht. Paradebeispiel hierfür ist der faszinierende Aletschgletscher. Durch seinen in den letzten Jahrzehnten dramatisch beschleunigten Rückgang legt er Felsstrukturen frei, die sehr kontrastreich und plastisch wirken.

Diese Motive sind für mich übrigens der Beleg dafür, dass man nicht danach fragen sollte, wie eine Szenerie im Moment der Aufnahme „wirklich“, „in echt“ oder „in natura“ ausgesehen hat. Das ist überhaupt nicht zielführend, und zwar aus mindestens zwei Gründen:

Zum einen ist Wahrnehmung (mit dem Sehsinn, aber auch im Gesamtpaket) immer sehr subjektiv, es gibt also kein einziges „echt“. Und zum anderen ist auch eine Schwarz-Weiß-Aufnahme sehr wohl ein Abbild einer in dem Moment vorliegenden Wirklichkeit – sie setzt eben lediglich andere Akzente als eine Farbfotografie.

Interessant wird es, wenn man die karge Gebirgswelt verlässt und in den Aletschwald eintaucht, zumal wenn dort die Nebelschwaden und der Schneeregen regieren.

Auch hier sind Farben wieder nur sehr spärlich vorhanden. Und doch ist der Unterschied zum Graustufenbild erheblich.

Was findet Ihr besser? Oder sind die Varianten einfach nur verschieden? Gerne kommentieren!

Der Schneefall nimmt immer mehr zu, und mit ihm auch der grafische Charakter der Szenerie. (Dasselbe galt übrigens auch für die Wischfrequenz auf der Frontlinse…)

Kontrastreiche Motive eignen sich prinzipiell gut für eine Wiedergabe in Schwarz-Weiß. Da kommt einem der frisch gefallene Schnee doch sehr gelegen, der die Oberlächenstrukturen herauspräpariert!

An einem solchen Ort und zu solch spektakulären Bedingungen, da könnte ich mich stundenlang aufhalten.

Und was ist, wenn man sich partout nicht entscheiden kann, ob nun mit oder ohne Farbe?

Scherz beiseite: Das Thema Monochromie ist mit diesem Artikel natürlich alles andere als erschöpfend abgehandelt. Auf sogesehen haben wir eine ganze Reihe von Beiträgen, die sich dieser Thematik widmen und reichlich Bildmaterial liefern. Bei Interesse einfach mal auf die Kategorie „B/W“ klicken oder das gleichlautende Schlagwort. Viel Spaß!

PS: Nach der Reise ist vor der Reise…

Veröffentlicht von Sebastian

Geographer, naturalist and photographer (www.schroeder-esch.de). Based in Germany, but always keen to travel and explore

11 Kommentare zu „Vielfalt Aletsch – Teil 2

  1. Wow!!!!! Was für ein toller Beitrag. Ich finde den Schreibstil und die Sprache sehr gelungen und einnehmend. Die Bilder und die Darstellung untermauern dies in besonderer Weise. Und wenn ihr mich fragt, nach dem entweder oder ? Ich bin zumeist der Farbe verfallen. Schönes Wochenende und weiter so

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      1. toller Artikel und gute Idee, wenn man sich nicht entscheiden kann.
        Ich finde die Fotos toll. Sowohl in Farbe, als auch in sw.
        Das mit dem liegenden Baum in sw gefällt mir besonders.
        echt cool

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      2. vielen Dank, Anette! Ja, das mit dem Baumstamm ist auch einer meiner Favoriten, und eben besonders in schwarz-weiß. Freut mich, wenn es Dir ebenfalls zusagt!

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  2. Großartiger Beitrag!!! Ich bin total begeistert – nicht zuletzt von der Möglichkeit, jedes Foto in s/w oder in Farbe „schieben“ zu können (Irrer Effekt!). Wenn ich mich entscheiden muss, hätte ich mich vermutlich meist für schwarz-weiß entschieden, aber eben nicht immer…! 😉

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  3. Hallo Sebastian,
    super Idee von dir, eine direkte Gegenüberstellung von Farb – und Schwarz-/Weiß-Fotos zu machen. Ich bin ein Fan der Schwarz-/Weißfotografie und besitze einige Foto-Bildbände mit S/W-Fotos berühmter Fotografen. Zu Beginn meiner Fotografierlaufbahn habe ich mit meiner ersten eigenen Ausrüstung mit S/W-Fotografieren in der Schul – Foto-AG mit Fotolabor angefangen (haupts. Baum- u. Waldfotos), alles analoge Arbeit; d. h. Negativfilme, Papierabzüge, Belichtungen und Vergrößerungen von Hand selbst entwickelt und verarbeitet. Beim digitalen Fotografieren (bei mir ab 2010) habe ich s/w bis zu deinem Bericht eher, entschuldige den Ausdruck, als Software-Spielerei angesehen. Du hast mich eines Besseren belehrt. Vielen, vielen Dank! Deine Bilder sind gute Beispiele dafür, dass das schwarz/weiße Foto manchmal besser und ausdrucksstärker sein kann, als das farbige.
    Bei den Regen- und Schneefalls- Fotos, die mir sehr gut gefallen, finde ich allerdings, dass der Niederschlag bei der farbigen Variante besser auffällt ebenso die gelblichen Lärchennadeln.

    Alles in Allem ein toller Bericht. Danke!

    Viele Grüße us Schopfe

    Uli

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    1. Hallo Uli,

      allerbesten Dank für Deine geradezu euphorische Rückmeldung, über die ich mich sehr freue. Man kann ja nicht wissen, wie das beim Publikum ankommt, was man so „verzapft“. Umso schöner, wenn es bei einer aufmerksamen Leserschaft auf positive Resonanz stößt!

      Welche berühmten Fotografen sind das in Deinem Bücherregal, wenn man fragen darf? Z.B. Ansell Adams? Wer noch? Aus bestimmten Gründen habe ich mir für die nächste Zeit vorgenommen, mich ins Thema Landschaftsfotografie (in ihren vielen Spielarten) auch aus theoretischer Perspektive tiefer einzuarbeiten. Da bin ich für jedwede Anregung dankbar.

      Beste Grüße vom Dreisam- ins Wiesental
      Sebastian

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      1. Hallo Sebastian, vielen Dank für deine Antwort. Ich freue mich auch, dass mein „Verzapftes“ so gut ankommt.
        Die Fotografen sind natürlich Ansel Adams u. Helmut Newton aber auch weniger bekannte, wie z.B. Achim Käflein (Schwarzwald). Über Anregungen zum Thema Landschaftsfotografie muss ich mal grübeln.

        Grüße ins Dreisamtal

        Uli

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