Aus der Hüfte

Ein schiefer Horizont, ein unscharfes Motiv oder fehlende Körperteile sind einige Probleme, mit denen sich Fotoanfänger üblicherweise herumschlagen müssen. Kreativität und Technik unter einen Hut zu bringen, ist gar nicht so einfach. Nach den ersten paar tausend Bildern sitzt dann der Horizont auch ohne Bildbearbeitung, der goldene Schnitt ist in Fleisch und Blut übergegangen, und die Schärfe ist da, wo man sie haben will. Super, Ziel erreicht!?

Mir ist diese Routine oft zu langweilig und Regeln sind ja bekanntlich da, um gebrochen zu werden. Eine schöne Möglichkeit, einige „Gesetze“ über Bord zu werfen, kommt aus der Streetfotografie – der Hüftschuss.

Hierbei geht es nicht um ein Duell zwischen zwei Cowboys, sondern um das Fotografieren aus der Hüfte. Die Kamera baumelt seitlich am Körper und man betätigt den Auslöser, ohne durch den Sucher oder das Display zu schauen. Die ersten Bilder landen oft im digitalen Mülleimer, da man ja „blind“ fotografiert. Diese Technik eignet sich besonders, um authentische Szenen aus nächster Nähe aufzunehmen.

Die tiefe Aufnahmeposition, die Nähe zum Motiv, oft gepaart mit Unschärfe, geben den Bildern einen besonderen Reiz. Sie haben fast etwas Intimes und (Un)Heimliches. Wobei ich finde, dass es ein großer Unterschied ist, ob sich jemand mit einem Teleobjektiv hinter einem Mülleimer versteckt, heimlich Menschen beobachtet und abdrückt, oder ob ich mich mitten „ins Leben“ begebe und zu einem gewissen Grad den Zufall entscheiden lasse, wie das Motiv oder die Person auf der Speicherkarte verewigt wird.

Ich kann nur jedem, der gerne fotografiert empfehlen, ab und zu gewohnte Routinen abzulegen und Regeln über Bord zu werfen.
Ein wahrer Meister darin ist mein Sogesehen-Kollege Tom Ritschel. Sein Beitrag Minimal zeigt dies in beeindruckender Weise.

Meine Hüftschuss- Fotos sind alle während einer Fotoexkursion in Marrakesch entstanden. Lust auf noch mehr Marrakesch? Dies geht auch ohne Flug und Quarantäne: Marrakesch-FOTOGRAFIE

5 Kommentare zu „Aus der Hüfte

  1. Klasse Artikel mit tollen Fotos, Steffi! Das Genre der Hüftfotografie war mir als solches noch gar nicht bekannt 😉 Ich bin allerdings auf Anhieb gar nicht so sicher, inwieweit mich diese Art der Zusammenarbeit mit „Kommissar Zufall“ überzeugt. Das liegt nicht daran, dass ich ein Regel-Fetischist wäre. Und auch die hier von Dir gezeigten Ergebnisse finde ich wunderbar. Aber irgendwie habe ich vielleicht doch den Anspruch (= die Illusion), dass Fotografieren ein einigermaßen kontrollierter Prozess sein sollte. Aber vielleicht sollte ich über diesen Ansatz auch einfach nochmal gründlich nachdenken… Auf jeden Fall danke für diesen Denkanstoß!

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    1. Danke Sebastian, für deinen ausführlichen Kommentar. Natürlich kann ich deinen Einwand nachvollziehen, sonst wäre ich kein so ein guter Kunde von Fotokursen 😉
      Aber für mich ist das wie mit dem zweiten Stück Sahnetorte. Der Verstand sagt „Lass es!“, die Seele sagt „Iss es!“ und ich finde es manchmal befreiend dem Kopf auch mal Redeverbot zu geben.

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