50 Shades of zauberhaftes Rosa

Wenn man weder das Buch gelesen noch den Film gesehen hat (oder waren es gar mehrere?), und zu beidem auch nicht die geringste Lust – dann sollte man von riskanten Wortspielen vielleicht lieber absehen… Aber nun ist es zu spät. Und das eigentliche Ziel, nämlich die Aufmerksamkeit der geneigten Leser*innenschaft zu erlangen, das habe ich ja hoffentlich so oder so erreicht. Rosa also.

Es geht um den Flamingo. Genauer gesagt, den Rosaflamingo (Phoenicopterus roseus).

Nie war ein Name treffender!

Nun ist es ja so, dass mich Vögel sowieso völlig faszinieren und ich ihnen folgerichtig einen nicht geringen Teil meiner Lebenszeit und -energie widme. Aber selbst auf diesem hohen Begeisterungspegel gibt es noch Differenzierungen in der Art, dass mich manche Vögel nochmal mehr berühren als andere. Und zu dieser kleinen Elite gehört zweifellos der Flamingo.

Worin liegt für mich seine Faszination? Singt er denn lieblich und melodiös? Nein! Entspricht er den gängigen optischen Schönheitsidealen? Gewiss nicht. Aber dann ist er sicherlich ausgewogen proportioniert? Ganz im Gegenteil. Hat ihn Mutter Natur wenigstens gemäß dem Kindchenschema mit kuschligem Fell und riesigen Kulleraugen ausgestattet? Ähm, das dürft Ihr gerne selber beurteilen…

Ich denke, diese Frage wäre dann auch geklärt. Und zwar negativ. Also muss ich wohl anders an die Sache rangehen.

Der Flamingo (hier, wie gesagt, der Rosaflamingo, aber das gilt sicher auch für die Handvoll anderer Arten, die es weltweit gibt), er ist ein ganz skurriles Geschöpf. Zumindest vom Aussehen. Diese geradezu grotesk langen Beine und der dünne Hals, die an den kleinen Körper wie dranmontiert zu sein scheinen. Der lange, gebogene, unproportionierte Schnabel. Das kleine gelbe Reptilienauge. Und doch, und doch…

Grazil sind sie ja schon, wie sie da so durchs flache Wasser schreiten und den Hals auf anmutigste Weise verbiegen. Oder wenn sie auf ihren weit ausgebreiteten, riesigen Schwingen durch die Luft gleiten – das sieht absolut majestätisch und würdevoll aus.

Mir scheint, wir kommen der Sache nun immer näher. Flamingos sind sehr spezielle Geschöpfe, und eben auch auf eine spezielle Art wunderschön.

Dabei bin ich auf einen Punkt noch gar nicht zu sprechen gekommen, der aber ganz wesentlich ist. Ihr Lebensraum. Die Landschaft, die sie bewohnen, die ihr Zuhause ist.

Natürlich kann man Flamingos in Zoos besuchen und bestaunen. Aber ihr wahrer Zauber, so empfinde ich es, entfaltet sich erst im Zusammenspiel mit ihrem natürlichen Habitat. Und das hat es in sich!

Sämtliche Fotos, die hier gezeigt werden, sind in der berühmten Camargue entstanden, dem großen Feuchtgebiet ganz im Süden Frankreichs, unmittelbar an der Mittelmeerküste. Die Landschaft hier ist sehr karg und rauh: Der kalte Mistral fegt an vielen Tagen im Jahr über die Ebene, das Wasser ist salzig, es wächst kaum ein Baum oder Strauch – hier können wahrlich nur hartgesottene Tiere und Pflanzen dauerhaft ein Auskommen finden.

Aber genau an diesen Lebensraum haben sich die Flamingos eben perfekt angepasst, hier sind sie wahrlich in ihrem Element. Auf ihren stelzenartigen Beinen waten sie durchs Wasser, während sie den Hals nach unten biegen, um ganz bequem kopfüber mit ihrem riesigen Schnabel durch das schlammig-trübe Wasser zu seihen und kleines Getier herauszufiltern.

Daher rührt übrigens auch die rosa Färbung: Im salzigen Wasser gedeihen nämlich bestimmte Algen und andere Organismen, die sogenannte Carotinoide produzieren. Sie bilden die Nahrung von kleinen Lebewesen im Wasser, zum Beispiel Krebsen. Diese wiederum stehen auf dem Speiseplan der Flamingos ganz oben. Und wenn nun die Carotinoide am Ende der Nahrungskette im Körper des Vogels angekommen sind, werden sie dort in pinke Farbpigmente umgewandelt. Toll, oder? Alte Vögel sind aus diesem Grund übrigens meistens intensiver gefärbt als jüngere Tiere, denn sie haben in ihrem Leben einfach schon viele, viele Krebse gefuttert.

Aber zurück zur Landschaft: Nicht ohne Grund sind die Flamingos so etwas wie der Wappenvogel der Camargue. Auch für mich stehen sie geradezu emblematisch für diesen rätselhaften Landstrich zwischen Meer und Land und seine karge Schönheit. Sie sind in der Tat nicht bloß typisch, sondern viel mehr als das – ein ganz fester, nicht wegzudenkender Bestandteil dieser Gegend und davon, wie sie auf mich als Betrachter wirkt.

Die Szenerie in dieser Ebene wird ganz stark durch horizontale Linien dominiert, es gibt kaum einmal eine Erhebung oder sonstige vertikale Struktur, die das Flache, Liegende optisch durchbrechen könnte. Umso markanter, ja prägender ist dann die aufrechte Statur der Flamingos.

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Aber damit nicht genug: Sie können ja auch hervorragend fliegen und tun das auch immer wieder gerne. Das sieht dann noch einmal auf andere Art phänomenal aus. Der klare Himmel, der sich über das Land wölbt, ist mit einem Mal von riesigen Vögeln bevölkert, die wie an einer Schnur gezogen durch die Lüfte schweben – passenderweise oftmals morgens oder abends in der Dämmerung.

Für mich ist kaum ein stimmungsvollerer Anblick vorstellbar.

Während ich diese Zeilen schreibe, verspüre ich doch eine gehörige Portion Sehnsucht nach der Camargue und ihren pinken Bewohnern. Möge es bald wieder möglich sein, ihnen allen einen Besuch abzustatten! Bis es soweit ist, schwelge ich in Erinnerungen, betrachte Fotos, schreibe Blogartikel – und schmiede erste zaghafte Reisepläne…


PS: Eine Frage an die geneigte Leser*innenschaft: Ist meine Faszination für Flamingos denn irgendwie nachvollziehbar? Oder haltet Ihr das für (etwas) durchgeknallt? Und falls Ihr auch einen „soft spot“ für das liebe Federvieh habt: Was sind Eure Lieblingsvögel, wenn ich fragen darf?

Veröffentlicht von Sebastian

Geographer, naturalist and photographer (www.schroeder-esch.de). Based in Germany, but always keen to travel and explore

9 Kommentare zu „50 Shades of zauberhaftes Rosa

  1. Was für ein besonderes Erlebnis muß es sein, diese außergewöhnlichen Vögel in natürlicher Umgebung beobachten zu können. Faszinierend!
    Sebastian, die Fotos sind klasse und der Text dazu amüsant geschrieben 😉
    Und wie heißt mein Lieblingsvogel? Du wirst wahrscheinlich enttäuscht sein; es ist keine exotische Rarität sondern unsere ganz gewöhnliche Blaumeise.
    Warum? Weil sie immer da sind, sie begleiten mich das ganze Jahr hindurch. Ich beobachte sie beim Nisten, lausche dem lauten, gierigen Piepen der Jungvögel, freue mich über das Zwitschern im Sommer und über ihren Besuch vor dem Küchenfenster im Winter.
    Ich kann deine Faszination für Flamingos auf jeden Fall nachvollziehen, Du meine für die hübsche kleine Meise auch?

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    1. Erst einmal vielen Dank für die lobenden Worte, Steffi – es freut mich, wenn ich die Flamingofaszination mit meinem Artikel vermitteln konnte, jedenfalls zumindest ein bisschen.
      Jetzt konterst Du mit der Blaumeise. Hm. Also die finde ich natürlich auch prima, ganz klar. Aber offengestanden mehr so in der Art, wie ich eine positive Haltung zu allen Vögeln habe. Sie sind hübsch und putzig, und ich freue mich immer, wenn ich sie sehe oder höre. Aber sie sind für mich dann doch nicht in dieser kleinen Extra-Klasse von ganz besonderem Federvieh. Ob es daran liegt, dass sie nicht „exotisch“ oder eine „Rarität“ sind, wie Du schreibst? Kann schon sein. Vor allem aber geht ihnen jegliche Extravaganz ab. Und das ist für mich der entscheidende Unterschied zum Flamingo!

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      1. Sebastian, da hast Du natürlich völlig recht. Die Blaumeise ist der Inbegriff von Normalität, Alltag und Selbstverständlichkeit. Wahrscheinlich habe ich aber gerade deshalb eine „emotionale Bindung“ zu ihr und da setzt man andere Kriterien an, als Extravaganz und Ausstrahlung.
        Wenn es nach diesen Merkmalen geht, dann ist der Pinguin bei mir ganz weit oben angesiedelt. Der ist in Sachen Eleganz wahrscheinlich eher die Blaumeise als der Flamingo und fliegen kann er auch nicht, aber faszinierend ist er allemal!

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  2. Hallo Sebastian, ich bin begeistert von deinen Flamingo Bildern! Es sind auch meine Lieblingsvögel und ich bin ein großer Fan der Camargue: weiße Pferde, schwarze Stiere, rosa Flamingos und eine weite offene Landschaft mit Salzseen – Sehnsuchtsland! Es tut gut in unserer Dezember Tristesse diese Farben zu sehen! Ich kann es kaum erwarten wieder gen Süden zu ziehen.

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    1. Vielen Dank für Deinen schönen Kommentar, liebe Gabi! Es freut mich sehr dass Dir meine Aufnahmen gefallen und (wichtiger) auch die Flamingos und die Camargue 🙂 Die Pferde und Stiere hatte ich jetzt mal bewusst unerwähnt gelassen – aber ohne sie ist natürlich jedes Bild der Camargue unvollständig. Also sage ich „merci“ für die Ergänzung und wünsche Dir und uns allen, dass irgendwann auch wieder nach Herzenslust gereist werden kann

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  3. Hallo Sebastian!

    Ja so ein Flamingo kann schon was! Ich habe mich dieses Jahr auch hinreißen lassen und einen maltechnisch verewigt. Aber das kommt natürlich keinem echten Vogel gleich.

    So in freier Natur sind diese rosa Perlen sicher noch einmal schöner als im Zoo, Fernsehen oder einer Fotografie. Ist aber am Bodensee leider nicht. Aber Störche haben wir seit vielen Jahren und es werden jedes Jahr mehr. Ich habe mich in diese Vögel im Laufe der Zeit verliebt. Es ist so wundervoll sie auf meinen Radtouren entlang des Rheins beobachten zu können, zu sehen wie sie Jahr für Jahr ihren Horst wieder zum Brüten aufsuchen, ihren Nachwuchs aufziehen, dieser flügge wird. Und im Herbst sammeln sie sich in großen Gruppen für die Reise in den Süden. Einige bleiben auch über den Winter hier und harren der Kälte, Schnee und Stürmen hoch oben auf Strommasten und den Nistplattformen. Ich habe sie über die Jahre so liebgewonnen, dass ich ständig Ausschau nach ihnen halte. Ich weiß jetzt schon wie sehr sie mir fehlen werden, wenn ich in ein paar Jahren zurück in meine alte Heimat gehe.

    Von daher, nein, du bist nicht durchgeknallt! Oder ich teile eben diesen „Knall“ mit dir für Störche.

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