„Fotografierst Du mal mein Motorrad?“ Auf so eine einfache Frage gibt es von mir eine einfache Antwort: „Ja, irgendwann.“ Meine Begeisterung zu dieser Anfrage hält sich in Grenzen, und ich beschließe den Wunsch zu ignorieren und auszusitzen.
Die Fotografie ist meine große Leidenschaft. Von kitschigen Landschaftsaufnahmen bis zu kühlen Schwarz-Weiß-Portraits, die Bandbreite meiner fotografischen Interessen ist riesig. Nur Fahrzeuge, egal mit wie vielen Rädern oder auch auf Schienen, haben mich noch nie interessiert.
„Schatz! Wann fotografierst Du jetzt endlich mal mein Motorrad?“
Spätestens jetzt wird klar, dass das mit dem Ignorieren nicht so einfach ist, wenn der potentielle Foto-Kunde die eigene bessere Hälfte ist. Jetzt muss man vielleicht wissen, dass mein Mann eine besondere Beziehung zu Motorrädern hat. Sie begleiten ihn schon fast sein ganzes Leben lang. Während andere Teenager in die Disco trampten, stand er mit 14 Jahren an der Straße, mit einem Helm unterm Arm und hoffte darauf, von einem vorbeifahrenden Motorradfahrer mitgenommen zu werden.

Über Motorradfotografie gibt es unzählige Bücher, und ich habe keines davon gelesen (und ich habe viele Bücher über Fotografie). Die Inhalte beschränken sich oft auf Fotos von Rennmaschinen in extremer Schräglage, coolen Typen und halbnackten Mädels. Ich wollte jedoch authentische Bilder in einer Umgebung, die zu meinem Mann und dem Motorrad passen.

Der Mythos besagt, dass der Motor einer Moto Guzzi ursprünglich für einen Betonmischer entwickelt wurde. Was passt da besser für eine Kulisse als ein Steinbruch? Lautes Getöse und grobe Technik, das passt zur Guzzi und auch zur Umgebung.


Meine Einwilligung zu dem Fotoshooting war an Bedingungen geknüpft. Mein Mann bestimmt die Location, und ich gestalte die Fotos.
Die Suche nach einer geeigneten Kulisse ist nur ein Teil der Vorbereitungen. Als Fotograf sollte man vor dem Start eine Vorstellung vom Endergebnis haben. Motorrad in Bewegung? Technische Einzelheiten? Bildlook? usw. Zu meinem Leidwesen (hier allerdings ein Glücksfall) stapeln sich bei uns zu Hause alle Varianten von Motorradzeitschriften. Wie auch bei vielen Fotomagazinen beinhalten diese meistens Berichte über Technik oder Kaufempfehlungen. Ein Heft jedoch hebt sich davon ab, da es Geschichten erzählt und die Farben der Fotos oft entsättigt sind (Magazin MOTORRAD-FUEL). Dies hat mir gefallen, und ich habe mich davon inspirieren lassen.


Ein Blog über ein Motorrad funktioniert natürlich nur, wenn dann doch noch das Klischee von Detailaufnahmen, Fahrtwind, Kurvenlage und coolem Typ bedient wird. (Das halbnackte Mädel lasse ich mal außen vor 😉 )


Unerwarteterweise hat mir die ganze Aktion großen Spaß gemacht. Es war fototechnisch recht anspruchsvoll und zeitaufwändig (ca. 6h ), aber es hat sich gelohnt. Vor Corona hätte ich mir diese Zeit nicht genommen, aber jetzt sind solche gemeinsamen Geschichten eine willkommene Abwechslung.
Ich hoffe nur, dass die Ausnahmesituation nicht mehr all zu lange anhält, denn der rote Flitzer ist nicht das einzige Zweirad, das bei uns in der Garage steht. Kehrt nicht bald wieder Normalität ein, fürchte ich, dass es schon bald wieder heißt:
“ Schatz, könntest Du….?“